Experteninterview mit Jannik Schneider

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Jannik Schneider wettet gerne. So fing alles an. Dank seiner Erfahrung kann er nun sein SEO-Bauchgefühl bequem mit Fakten unterfüttern. In diesem Interview ordnet er die Trends im SEO-Umfeld ein.

Experteninterview mit Jannik Schneider

Wie kamen Sie zu SEO?

Alles begann irgendwann mit Anfang 20 und dem Buch „Die 4-Stunden-Woche“ von Tim Ferriss. Aus dem Interesse an ortsunabhängigen Einkommen wurden schnell die ersten Affiliate-Seiten. Daraus wurde kurze Zeit später eine Anstellung als SEO-Manager und letztendlich eine Stelle als Teamleiter im Agenturumfeld. Zurzeit arbeite ich als SEO-Manager beim Bildungscampus Backnang.

Was begeistert Sie auch heute noch daran?

Das Tool des Vertrauens anzuschmeißen, Wettbewerber zu analysieren, Formate zu entwickeln und Prozesse aufzubauen ist einfach interessante und vielseitige Arbeit. Wenn die „Wetten“ dann noch aufgehen und der organische Traffic wächst, oder man sich nach Jahren alte Projekte anschaut und sieht das die Arbeit weiterhin Früchte trägt, das macht einfach Spaß.

Ihre Vorgehensweise

Setzen Sie einen Standard-Prozess bei Ihren Kunden um?

Dieser Prozess hat sich in den letzten Jahren immer wieder verändert. Mittlerweile gehe ich immer von der Conversion aus rückwärts. Das habe ich am Anfang meiner Karriere nicht so praktiziert und sehe ich auch heute noch bei vielen jungen SEOs.

Was bedeutet das genau?

Kurz gesagt: Ich schaue mir zuerst die Seiten an, die für das jeweilige Unternehmen für meßbare Conversions sorgen. Das wären beispielsweise die Produktseiten.

Denn:

Die Sichtbarkeit im Top Funnel oder Glossare können je nach Zielsetzung, Topical Authority und Branche super spannende Ansätze sein, aber sie zahlen nur selten Gehälter.

Ferner glaube ich, dass es oft wesentlich sinnvoller ist, schnellstmöglich am Content einer Webseite zu arbeiten und sich nicht zu sehr auf jede Fehlermeldung einer SEO-Suite zu konzentrieren.

Ladezeiten und Performance sind super wichtig, aber wenn man zwei Jahre braucht, um den Content Gap zum Wettbewerb zu schließen und erst alle technischen Themen auf 100 % bringen möchte, verliert man mitunter kostbare Zeit.

Setzen Sie Schwerpunkte bei Ihrem Prozess?

Ich glaube gerade am Anfang ist es wichtig sehr stark in die Kommunikation zu gehen und lieber einmal zu oft ein Meeting, eine interne Schulung oder ein Brainstorming einzustellen, als viele Wochen im dunklen Kämmerchen an der perfekten Strategie zu feilen.

SEO ist grundsätzlich ein eher erklärungsbedürftiges Handwerk. Meine Familie versteht bis heute nicht, was ich mache. Ferner sind viele Aufgaben im SEO gerade zu Beginn eines Projekts eher konzeptioneller und strategischer Natur, also deliverables, die Zeit brauchen.

Hier läuft man Gefahr an den Zielen oder internen Challenges des Unternehmens vorbeizuarbeiten oder nicht genug Buy-In für wichtige Initiativen zu erhalten. Ich denke mit proaktiver und regelmäßiger Kommunikation kann man vielen späteren Problemen früh entgegenwirken.

Welche Tools setzen Sie hierbei ein?

Ahrefs ist mein persönlicher Favorit und für sehr viele Aufgaben und Workflows super geeignet. Kombiniert man das Ganze dann noch mit Sistrix und dem Screaming Frog, ist ein Großteil der täglichen Anwendungsfälle abgedeckt.

Stichwort: Backlinks

Welchen Stellenwert haben Backlinks in diesem Prozess?

Meistens einen deutlich höheren Stellenwert als es Geschäftsführer und Personen mit Budgetverantwortung lieb wäre. Einige Unternehmen und Branchen kommen mit wenigen Backlinks aus, weil sie unangefochtene Markführer sind, sich in einer Nische befinden oder durch ihren Erfolg und entsprechende Presse beiläufig Links einsammeln. Meiner Meinung nach trifft das auf die wenigsten Unternehmen zu (auch weil die klassische PR- und Marketing-Abteilung oft nicht „online denkt“ und zum Beispiel Verlinkungen nicht mit verhandelt).

Backlinks, Autorität, Domainpopularität und Co bezeichnen am Ende des Tages Empfehlungen von anderen Webseiten und sind in vielen Bereichen schlicht ein wichtiger Baustein, um sich überhaupt in den SERPs messen zu dürfen.

Meiner Erfahrung nach wird bei Backlinks oft der gleiche Fehler wie bei Branding oder Influencer Marketing gemacht. Es wird versucht eine direkte Beziehung zwischen einem Placement und dem Umsatz herzustellen. Dabei ist das gar nicht das Ziel.

Es geht um einen wachsenden Share Of Mind, positive Touchpoints und im Falle von Backlinks um die nachhaltige Etablierung einer notwendigen Baseline (zum Beispiel durch digitale PR).

Das sollte man meiner persönlichen Meinung nach eher wie Ausgaben in Investitionsgüter oder Lobbyarbeit betrachten und nicht wie eine Flyer-Kampagne mit Gutschein-Code.

Wie generieren Sie Backlinks für Ihre Kunden?

An erster Stelle steht oft das Schließen von Lücken zu Marktbegleitern (wo dies schnell möglich ist) und das Reklamieren von unverlinkten Erwähnungen.

Was darauf folgt hängt stark von der Link Velocity des Wettbewerbs und den vorhandenen Budgets ab.

Grundsätzlich jedoch wesentlich lieber als Beiwerk von anderen Marketingaktivitäten, über Linkable Assets und digitale PR oder den direkten Kontakt zu Publishern.

Worauf achten Sie besonders bei dem Publisher?

Das hat viel mit Bauchgefühl zu tun, aber wenn man sich jahrelang durch die gängigen Excel-Tabellen gewühlt hat, dann achtet man mit der Zeit auf jeden Fall auf ein paar Dinge.

Für mich sind das in erster Linie organischer:

  • Traffic, gerne mit einem positiven Trend,
  • starke Verzeichnisse,
  • gute Rankings für schwere Keywords,
  • keine versteckten Placements auf Orphan Pages und
  • Publisher deren Zweck nicht ausschließlich im Verkauf von Advertorials oder Backlinks besteht.

Jannik Schneider: Seine SEO-Sicht auf einige Trends:

Einige SEO-Experten sehen die folgenden Trends. Können Sie zu jedem davon etwas sagen?

  • Wie begegnen Sie dem anhaltenden Trend der Sprachsuche?

    Das Thema Sprachsuche ist sicherlich gekommen um zu bleiben. In meinem persönlichen Umfeld beobachte ich immer mehr Menschen dabei, wie sie über die Sprachsuche nach einer Antwort suchen. Die steigende Anzahl an mobilen Suchen und immer besser werdende Spracherkennungen dürften diesen Trend in Zukunft eher beschleunigen als bremsen.

  • Welchen Einfluss hat die KI auf Ihre Vorgehensweise?

    Aktuell hat sie vor allem Einfluss auf Prozesse wie Brainstorming, die Strukturierung von Daten, erste Entwürfe von Texten und die Datenanalyse. Aber auch für klassische Excel/Google Sheet-Aufgaben oder für das Schreiben von regulären Ausdrücken nutze ich sie immer mehr. Allgemein wohl am meisten für die Beschleunigung von Workflows und allgemeine Zeitersparnis.

  • Wie verändern die kurzen Zusammenfassungen der Webseite – Featured Snippets, „Zero-Position“, „Zero-Click“ – die SEO-Welt? Und wie nutzen Sie diese Entwicklung?

    Man darf hier natürlich nicht naiv sein. Suchmaschinen werden in vielen Bereichen immer mehr zu reinen Antwortmaschinen. In bestimmten Branchen spielen Webseiten eine immer kleinere Rolle. Das Interesse von Suchmaschinen an umsatzstarken Märkten nimmt seit jeher zu, wie sich an den Veränderungen der SERPs beobachten lässt. Und auch strukturierte Daten und verstärkte E-Commerce-Integrationen werden nicht implementiert, weil Google nett zu uns sein möchte.

  • Welche Besonderheiten gibt es zum Begriff „Mobile-First“ zu beachten?

    Ich persönlich warte immer noch auf den Tag, an dem ein Design in einem Meeting gepitcht und das mobile Design vor der Desktop-Version präsentiert wird. Ich glaube in vielen Unternehmen ist „mobile-first“, also die vorrangige Entwicklung für mobile Endgeräte, eher „mobile-also“. Ich würde mir hier einen echten Paradigmenwechsel wünschen (natürlich immer in Anbetracht von Branche und Zielgruppe), anstatt das mobile Design einfach nur mitzumachen.

  • Thema Datenschutz und Sicherheit: Was sagen Sie zur steigenden Wichtigkeit von Transparenz sowie Website-Sicherheit für Nutzer und Suchmaschinen?

    Als Privatperson sind das natürlich erstmal erfreuliche Entwicklungen. Aus Sicht eines Marketeers stellt uns das Thema nicht selten vor große Herausforderungen.

    Von allen handwerklichen Disziplinen im Online-Marketing leidet SEO im Rahmen der täglichen Arbeit meiner Meinung nach vergleichsweise wenig unter dieser Entwicklung.

    Nichtsdestotrotz spielt das Thema Datenschutz und damit auch Datenqualität gerade im Rahmen des Reportings, der Attribution und der Budgetverteilung eine nicht zu unterschätzende Rolle.

  • Wie bringen Suchmaschinen UX als Ranking-Faktoren ein?

    Die Anhörungen und Leaks der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, welche Rolle UX-Faktoren wirklich spielen. Schlagworte wie Re-Ranking, Bad Clicks und Good Clicks, aber auch die Nutzung von Daten aus dem Chrome-Browser machen sehr deutlich, welchen Stellenwert Nutzersignale und zufriedene Nutzer auf die SERPs und SEO haben.

  • Wie verändert sich die Wichtigkeit von Longtail Keywords?

    Longtail Keywords waren schon immer eine gute Möglichkeit organisch die ersten Schritte zu machen und sich Themen- und Keywordcluster Stück für Stück zu erarbeiten. Ich denke auch in Zukunft werden sie weiterhin eine große Rolle spielen.

    Egal ob Content Marketing entlang der Customer Journey, umkämpfte SERPs auf Shorttail Keywords, der Ranch Style-Ansatz oder Voice Search, in all diesen Themen spielen Longtail Keywords eine wichtige Rolle.

Der persönliche Ausblick von Jannik Schneider:

Wie wird sich SEO in den kommenden 12 Monate verändern?

Das ist eine wirklich spannende Frage. Im Grunde hat sich SEO meiner Meinung nach in den letzten 10 Jahren kaum verändert.

Mitunter büßen Branchen, Verzeichnisse oder Formate SERP-Real Estate ein oder verlieren Klicks durch die Integrationen von Features, die „Grundgesetze“ in der Suchmaschinenoptimierung scheinen jedoch weiterhin zu gelten.

Stelle Nutzer zufrieden und gib ihnen wenig Gründe zurück in die SERPs zu springen, werde ein Brand die in Kombination mit deinen Dienstleistungen, Produkten und Kategorien gesucht wird, baue Autorität auf und kommuniziere sowohl für Suchmaschinen als auch für Nutzer klar und deutlich, worum es auf deiner Webseite und ihren Unterseiten geht.

AI Overviews und Co werden die SERPs und SEO auf jeden Fall verändern, aber „klassisches SEO“ wird sicherlich auch dieses Mal nicht sterben. Es kommen lediglich neue Spielfelder und Challenges hinzu und SEOs müssen sich weiterentwickeln.

Welche drei Events sind für Sie die relevantesten?

  1. Campixx
  2. SEO Day
  3. brightonSEO

Welche drei Personen sehen Sie als Meinungsbildner der SEO-Branche?

Im deutschsprachigen Raum sind das für mich vor allem

  1. Alexander Rus
  2. Fabian Jaeckert & Benjamin O’Daniel (bin jetzt mal so frech und nenne beide als eine Person)
  3. Markus Hövener

Da fehlen natürlich noch super viele großartige deutschsprachige SEOs, aber diese vier prägen mich auf jeden Fall seit langer Zeit. Allgemein bin ich aber schon immer ein großer Freund davon, überwiegend in die USA zu schauen, wenn es um Entwicklungen in der SEO-Branche geht.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schneider!

Auch ich bedanke mich!

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